Workshop 2010
Bericht zum Jahrestreffen vom 24.-25. Juni 2010
Villa Prieger der Montag-Stiftungen, Bonn
Der diesjährige Workshop des Trinationalen Graduiertenkollegs
"Gründungsmythen Europas in Literatur, Kunst und Musik" fand am 24. und
25. Juni in der Villa Prieger der Montag-Stiftungen statt.
Zentrales
Anliegen dieser Tagung ist es, den Kollegiaten ein Forum zu bieten, auf
dem sie den Stand der laufenden Forschungsvorhaben vorstellen und
zusammen mit den Betreuern diskutieren können.
Die Sorbonne Université wurde durch die Professoren Marie-Thérèse Mourey, Martine Dalmas, Michel Delon sowie den Präsidenten der Sorbonne, Prof. Dr. Georges Molinié vertreten. Die Università degli Studi di Firenze wurde von den Professoren Giovanna Angeli, Vivetta Vivarelli und Patrizio Collini vertreten. Von der Universität Bonn waren anwesend die Professoren Michael Bernsen, Anne-Marie Bonnet, Werner Gephart, Paul Geyer, Helmut J. Schneider, Thomas A. Schmitz sowie der wissenschaftlichen Koordinatoren des Kollegs Rolf Lohse und Moritz Klein. Als Mitveranstalter der Tagung ebenfalls anwesend waren Dr. Karl Imhäuser, Vorstand der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft und Dr. Cathérine Robert, Direktorin des Institut Robert Schuman.
In ihren Vorträgen boten die Kollegiaten des Jahrgangs 2009 den anwesenden Professoren, Studenten und Gasthörern einen vertieften Einblick in die Forschung und Entwicklung ihrer Arbeit. Weiterhin stellten die neun Kollegiaten des Jahrgangs 2008 den aktuellen Stand ihrer Arbeiten in Form eines geleiteten Podiumsgesprächs vor, dem eine intensive Diskussion folgte. Ergänzt wurden die Berichte aus den laufenden Forschungsvorhaben durch die Vorträge von Prof. Molinié, Prof. Collini und Prof. Schneider, die mittels unterschiedlicher Zugänge besondere Aspekte und Fallstudien in dem komplexen Feld von Mythenbildung und Mythenverwendung diskutierten.
Das Atelier wurde am Donnerstag, 24. Juni 2010 durch Prof. Michael Bernsen (Sprecher des Kollegs), Prof. Giovanna Angeli (Sprecherin des Kollegs für die Universität Florenz) und Prof. Michel Delon (Sprecher des Kollegs für die Sorbonne Université) eröffnet.
Die Präsentationen der vortragenden Kollegiaten wurden für diesen Workshop in drei Sektionen zusammengefasst, die unter den thematischen Oberbegriffen Antikenrezeption, Rezeption über nationale Grenzen hinweg sowie Nachdenken über Kunst und Kultur standen. Unter der Leitung von Prof. Michel Delon präsentierte die Sektion Antikenrezeption ihre Arbeiten:
Irene Gayraud (Paris) verfolgte in ihrem Vortrag „Traditions
orphiques et modernité poétique en Europe au début du XXème siècle:
Apollinaire, Campana, Rilke“ den Einfluss des Orpheusmythos auf die
moderne Dichtung unter Berücksichtigung der verschiedenen
Interpretationsmodelle und der sich wandelnden kultur- und
geistesgeschichtlichen Bezugsrahmen.
Daniel Wendt (Bonn) demonstrierte unter dem Titel „Rezeption
der obszönen Literatur der Antike in Frankreich im 17. und 18.
Jahrhundert“ am close-reading eines Sonetts von Théophile de Viau
(Phyllis, tout est foutu) die rezeptionsästhetischen Bedingungen
obszöner Lyrik im 17. Jahrhundert.
Es folgte der Fachvortrag von Prof. Helmut Schneider zum Thema “Mythen und Mythos“, dem sich die zweite Sektion zum Thema Kulturelle Rezeption über nationale Grenzen hinweg unter Leitung von Prof. Giovanna Angeli anschloss.
Noga Mishliborsky (Paris) analysierte in ihrem Vortrag "Die
klassische Antike als Nationalmythos in Deutschland und in Frankreich
im 19. und 20. Jahrhundert" die Bezugsmodalitäten deutscher und
französischer Nationalmythen auf antike Vorbilder am Beispiel der
französischen Rezeption der Tragödienkonzeption Bruno Snells.
In
seinem Vortrag „Il mallarmeano di Bingen. Tematiche e stilemi del
simbolismo francese nell’opera di Stefan George“ untersuchte Mattia Di Taranto (Firenze)
die komplexen Bezüge zwischen der Dichtung Stefan Georges und den
Poetik-Konzepten des französischen Symbolismus und leistet damit einen
wichtigen Beitrag zu der laufenden Wiederentdeckung und
Neuinterpretation des Werkes Stefan Georges.
Die in der Arbeitssektion aufgeworfenen Fragen konnten im Anschluß an die Arbeitssektion in zwangloser Form beim Apéretif auf der Terrasse der Villa Prieger weiter vertieft werden.
Das anschließende Podiumsgespräch mit Prof. Werner Spies (Paris) und Felicitas von Lovenberg (FAZ) zum Thema „Auge und Wort. Über das Verhältnis von bildender Kunst und Literatur im 20. Jahrhundert“ fand aufgrund des großen Andrangs in dem Konferenzsaal des Raiffeisen-Hauses statt. Zum Abschluss des Abends waren die Teilnehmer des Workshops und weitere Gäste zum Terrassen-Buffet in den Garten der Villa Prieger geladen, wo bis tief in die Nacht hinein gegessen, getrunken und diskutiert wurde.
Am Freitag, 25. Juni, gaben die Kollegiaten des Jahrgangs 2008 in einer
Table ronde einen Überblick über den Stand ihrer Arbeiten und erörterten
grundlegende thematische und methodologische Fragen in gemeinsamer
Diskussion mit den versammelten Professoren.
Im Anschluß an die Table ronde fand der Fachvortrag von Prof. Georges Molinié
(Sorbonne Université) über die „realité du mythe“ statt. In diesem
Vortrag entwickelte Prof. Molinié nicht nur Thesen zur Entstehung von
Mythen, sondern auch und vor allem zu deren politisch-sozialer
Funktionalisierung.
Der Fachvortrag von Prof. Patrizio Collini zum Thema „Venedig um 1800. Ende der Geschichte und Entstehung des literarischen Mythos“ eröffnete die dritte und letzte Sektion Nachdenken über Kunst und Kultur unter Leitung von Prof. Michael Bernsen:
Claudia Seidel (Bonn) untersuchte in ihrem Vortrag „Fluchtpunkt
Sammlung: Goethes Vision eines ‚idealen Kunstkörpers’“ die Ursachen und
Bedingungen der Institutionalisierung des Museums als öffentlicher Ort
um 1800 und die Konzeptualisierung dieses Prozesses bei Goethe, die zu
einem neuen Verhältnis von Subjekt und Kunstgegenstand führt.
Am Beispiel des Vulkans und seiner allegorischen Darstellung und
Verwendung in Malerei und Texten während der Französischen Revolution
deckt Olivier Ritz (Paris) in seinem Vortrag „Histoire et
histoire naturelle, les métaphores de la Révolution en France, en
Angleterre et en Allemagne (1789-1815)“ die Strategien zur Legitimierung
des Revolutionären auf.
Mit besonderem Augenmerk auf die Einflüsse aus Mystik und Psychoanalyse stellte Daniela Padularosa (Firenze)
in ihrem Vortrag „Hugo Ball als Kulturdenker“ die Poetik dieses
Dichters und seiner Bedeutung für die dadaistische Bewegung zu Beginn
des 20. Jahrhunderts dar. Veranschaulicht wurde der Vortrag durch
zahlreiche Bilddokumente aus dem u.a. von Hugo Ball gegründeten Cabaret
Voltaire in Zürich.
Dieser Workshop erweist sich nun schon in seiner zweiten Auflage als ein für alle Beteiligten gewinnbringender Rahmen für internationalen und interdisziplinären Austausch zwischen Kollegiaten, Professoren und Fachpublikum sowie als ein Laboratorium für die Entwicklung weiterführender Fragestellungen. Der Besuch des Präsidenten der Sorbonne Prof. Georges Molinié war auch Anlass eines Treffens mit der Universitätsleitung der Uni Bonn, bei dem eine vertiefte Zusammenarbeit und eine Verbesserung der finanziellen Ausstattung in Aussicht gestellt wurde.